Mythen und "alte Hüte" in der Hundeerziehung:


 

 

 

Kaum etwas hält sich so hartnäckig in den Köpfen der Menschen, wie die „alten Hüte“ der Hundeerziehung.

 

Leider gibt es auch immer noch Trainer und Hundeschulen, die "tapfer" wissenschaftliche Erkenntnisse zur Hundeerziehung ignorieren.

Glauben Sie nicht jedem "Experten" und achten Sie auf Ihr Bauchgefühl. Sie und Ihr Hund sollten sich bei einem Training immer wohl fühlen. Wenn nicht - gehen Sie weg!

Fragen Sie nach der Ausbildung des Trainers oder der Hundeschulinhaber. Erkundigen Sie sich, ob eine Zulassung des Veterinäramtes nach § 11 Tierschutzgesetz vorliegt. Es geht um Ihren Hund, den Sie lieben!

 

Fernsehsendungen mit "Hundeflüsterern" werden nicht unbedingt zum Wohle der Tiere produziert - es geht um Einschaltquoten. Gewaltfreie Hundeerziehung ist für TV-Produzenten scheinbar zu langweilig. Glauben Sie nicht alles, was Sie sehen - bleiben Sie kritisch!

Zusätzlich kursieren abstruse Vorstellungen zu angeblich "vererbten Rudelstellungen" in der "Hundeszene". Bitte befassen Sie sich nicht mit so einem Unsinn - mit Wissenschaft hat das rein gar nichts zu tun. Der Wolfs- und Hundeforscher Günter Bloch kommentiert das mit "extrem realitätsfremd". Die Verhaltensbiologin Dorit Feddersen-Petersen bezeichnet es als "bizarren Unsinn". Der Hundepsychologe Thomas Riepe hält es für ein "unfassbares Verhalten den Tieren gegenüber".

Wenn so ein unglaublicher Unfug auch noch im Fernsehen gezeigt wird, dann betätige ich nur noch den Aus-Knopf.

 

YouTube zeigt jede Menge Filme zur Hundeerziehung von Trainern und selbsternannten "Experten". Achten Sie bitte auf die Körpersprache der Hunde. Geht es ihnen gut, arbeiten sie freudig mit? Werden die Hunde für erwünschtes Verhalten belohnt? Nein? - Dann suchen Sie sich ein anderes Video oder fragen Sie einen Trainer, der mit "Positiver Verstärkung" arbeitet.

 

Physische und psychische Gewalt ist nie eine gute Lösung. Fatale Nebenwirkungen zeigen sich oft erst später und möglicherweise  in einem ganz anderen Zusammenhang, den der Halter gar nicht erkennt. Oft wird mit Druck und psychischer Gewalt gearbeitet, was auf den ersten Blick für einen Laien nicht erkennbar ist.

 

 

 

Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie mich bitte an - ich gebe gerne Auskunft.

 

 

 

Was sind das für "alte Hüte" und warum gibt es sie?

 

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts stellte der Norweger Thorleif Schjelderup-Ebbe fest, dass unter den Hühnern auf dem Bauernhof seiner Eltern eine strenge Rangordnung bestand. Huhn A ging auf Huhn B los und hackte es, Huhn B auf Huhn C, Huhn C auf Huhn D.  So entstand der Begriff „Hackordnung“.

 

Die Beobachtungen zum Thema Rangordnung bei Hühnern und die Beobachtung von Wölfen in Gefangenschaft führten zu der Vorstellung, dass es im Verhältnis Hund-Hund und Mensch-Hund auch eine Rangordnung geben müsse, die verteidigt werden solle. Der Mensch müsse der „Alpha“ sein und der Hund stets in seine „Omega-Position“ zurückgedrängt werden.

 

Heute weiß man, dass die Rang- oder Hackordnung bei Hühnern nicht auf den Haushund übertragbar ist.

 

Auch die Beobachtung von Wölfen in Gefangenschaft führte zu fehlerhaften Vorstellungen: Die nicht verwandten Wölfe waren einer hohen Stressbelastung ausgesetzt und sie entwickelten Hierarchien, die aggressiv verteidigt wurden.

 

Erst die Beobachtungen von freilebenden Wölfen (z.B. von David Mech, USA) zeigten, dass die Wölfe in sehr sozialen Familienstrukturen leben.

 

Aufgrund der Beobachtung von Wölfen in Gefangenschaft und den fehlerhaften Rückschlüssen auf Haushunde kam es u.a. zu folgenden irrtümlichen Vorstellungen:

 

 

 

 

„Erst sollte der Mensch essen, dann der Hund“

 

Wölfe und freilebende Hunde sind sehr fürsorglich mit ihren Welpen. In der Regel bekommen die Welpen zuerst etwas zu Fressen.

 

Einen hungrigen Hund immer zugucken zu lassen, wenn wir essen, ist sehr frustrierend. Er kann gleichzeitig seinen gefüllten Futternapf, eine Kaustange, eine Möhre, einen gefüllten Kong oder ähnliches bekommen.

 

 

 

„Der Hund darf nicht erhöht liegen (Bett, Sessel, Sofa).“

 

Aus der Sicht von Wölfen und Hunden hat jeder das Recht, seinen gewählten Platz (und auch sein Fressen) zu verteidigen, unabhängig von z.B. einer Eltern-Kind-Hierarchie. Soll der Hund aus anderen Gründen (kleine Kinder, Hygiene) nicht auf unsere Möbel, dann sollten wir ihm einen anderen Platz schmackhaft machen und zusätzlich immer wieder mit ihm auf dem Boden kuscheln.

 

 

 

„Der Hund darf nicht vor uns gehen, sonst übernimmt er die Führung.“

 

Das Wolfsrudel wird nicht immer von den Elterntieren angeführt, die Aufgaben sind flexibel und freilebende Hunde sind meist Einzelgänger.

 

Grundsätzlich ist es vorteilhaft, wenn der Hund vor uns geht. Besonders im Freilauf, dann haben wir ihn immer im Blick. Er sollte lernen, ohne Zug an der Leine zu gehen. Signale, die den Hund neben oder hinter mir halten, können je nach Situation sinnvoll sein.

 

 

 

„Der Hund darf nicht zuerst durch die Tür gehen.“

 

Der Durchgang durch eine Tür hat nichts mit Rangordnung zu tun. Nur weil Hunde zuerst durch die Tür gehen, sind sie nicht der Anführer unserer Gemeinschaft, oft haben sie es einfach nur eilig raus zu kommen.

 

Trotzdem kann es Sinn machen, einen Hund warten zu lassen. Wir können nie wissen, welche Reize draußen auf den Hund warten, mit denen er ggf. überfordert sein könnte, je nach Wohnsituation.

 

 

 

„Ein Rüde soll nur die Blase leeren, aber nicht markieren.“

 

Einen Hund an einem genetisch festgelegten, normalen, sozialen und harmlosen Verhalten zu hindern, macht keinen Sinn und hat keine Bedeutung für den Anspruch einer Führungsposition.

 

 

 

„Der Mensch muss immer ein Spiel beginnen und gewinnen.“

 

Ein Spiel entsteht in entspannten Situationen mit vertrauten Sozialpartnern. Es vermittelt angenehme Gefühle und sollte allen Teilnehmern Spaß machen - immer zu verlieren macht überhaupt keinen Spaß.

 

Wer das Spiel beginnt, beendet oder gewinnt ist für den Anspruch einer Führungsposition irrelevant.

 

 

 

"Der Hund darf Menschen nicht anknurren."

 

Knurren ist eine normale Kommunikationsform des Hundes. Er bringt damit zum Ausdruck, dass er etwas nicht möchte. Er fühlt sich bedroht oder bedrängt und möchte Distanz aufbauen.

Hunde knurren oft, wenn sie eine Ressource verteidigen wollen. Man sollte seinem Hund beibringen, diese gegen andere attraktive Dinge zu tauschen.

Wer seinem Hund das Knurren verbietet, läuft Gefahr, dass der Hund zukünftig nicht mehr knurrt und gleich zubeißt.

Es ist eine Warnung, die wir dringend respektieren sollten!

 

 

 

"Der Mensch muss sich beim Hund durchsetzen, weil er der Chef ist."

 

Ein Mensch macht sich nicht zum Chef, indem er sich gewaltsam durchsetzt. Er zeigt, dass er die Bedürfnisse des Hundes nicht verstanden hat - keine gute Basis für eine vertrauensvolle Beziehung. Sich gegen eine Drohung durchsetzen zu wollen, kann schlimme Folgen haben. Wir sollten unsere Intelligenz einsetzen, um Hunde zu führen - sie kooperieren dann gerne mit uns.

 

 

"Der Mensch sollte seinen Hund ignorieren, wenn er nach Hause kommt."

 

Jeder Hund, der eine gute Beziehung zu seinem Halter hat, freut sich, wenn er wieder mit seinem Halter zusammensein kann. Die Freude mit Ignoranz zu bestrafen ist völlig unsinnig.

 

 

„Ein Hund muss bestraft werden, damit er weiß, wo seine Grenzen sind.“

 

Das Thema Strafe („Positive Strafe“ im Sinne der Lerntheorie, „positiv“ bedeutet etwas Unangenehmes hinzufügen) ist sehr umfangreich und kann hier nicht im Einzelnen beschrieben werden. Einige Punkte können aber schon auf die Schwierigkeiten hindeuten:

 

·       Eine Strafe gibt dem Hund nur die Information, was er nicht machen soll. Er bekommt dadurch keine Idee, was er stattdessen tun könnte.

 

·        Eine zu milde Strafe wird den Hund nicht davon abhalten, das unerwünschte Verhalten immer wieder zu zeigen. Hunde gewöhnen sich an Strafen, auch an Schmerzen.

 

·        Nur harte Strafen können möglicherweise dauerhaft erfolgreich sein. Damit läuft man aber Gefahr, gegen das Tierschutzgesetz zu verstoßen, und das Verhältnis zum Hund wird ebenfalls dauerhaft gestört.

 

·        Eine Strafe muss immer punktgenau im Ansatz erfolgen, sonst kann der Hund es nicht mit seiner unerwünschten Handlung verknüpfen. Das ist selbst für Hundetrainer keine leichte Aufgabe.

 

·        Strafen haben immer Nebenwirkungen und führen oft zu Fehlverknüpfungen, die wieder andere Probleme nach sich ziehen. Häufig entstehen Probleme erst durch eine „harte Gangart“. Strafen sind immer frustrierend und Frustration ist die Vorstufe von Aggression.

 

·        Hunde verknüpfen Strafen auch mit dem Halter, denn er ist immer dabei. Das Vertrauen und Sicherheitsgefühl in der Gemeinschaft wird gestört oder sogar zerstört. Nicht selten trauen sich Hunde nicht mehr, sich frei zu bewegen. Sie werden inaktiv, unsicher, ängstlich oder traumatisiert.

 

·        Harte Strafen und psychische Gewalt sind moralisch sehr bedenklich, wenn es alternative Möglichkeiten gibt einen Hund zu führen und zu erziehen und das ist immer der Fall.

 

Grenzen zu setzen bedeutet nicht, den Hund strafen („Positive Strafe“) zu müssen. Ihn für erwünschte Verhaltensweisen zu belohnen, ist eine intelligente Grenzsetzung, wenn dadurch unerwünschte Verhaltensweisen immer seltener oder gar nicht mehr gezeigt werden. Regeln und Rituale, die bei Einhaltung und Ausführung belohnt werden, geben dem Hund die Sicherheit sich im menschlichen Umfeld zurechtzufinden.

 

Verhaltensabbrüche sollten ihm immer die Information geben, was er stattdessen tun kann und aus seiner Sicht erfolgreich und erstrebenswert ist.

 

 

 

Eine veraltete Vorstellung im Zusammenhang mit Hundekontakten lautet:

 

"Das machen die Hunde schon unter sich aus."

 

Was für den einen Hund eine völlig normale und unkomplizierte Begegnung mit einem Artgenossen ist, kann für einen anderen äußerst problematisch sein.

Unsere Hunde haben unterschiedliche Charaktere mit verschiedenen genetischen Anlagen und einer einzigartigen Individualentwicklung.

Nicht jeder Hund liebt es auf einen Artgenossen zu treffen. Es gibt Hunde, die Angst haben oder traumatisiert sind und es gibt Hunde, die ein inadäquates Aggressionsverhalten zeigen.

Wenn Sie einem ängstlichen Hund einen nicht gewünschten Kontakt mit einem fremden Hund (auch wenn er ein "Tutnix" ist) aufnötigen, kann das seine Ängstlichkeit weiter vertiefen und Verhaltensprobleme verstärken.

Ein zur Aggression neigender Hund kann bei unerwünschten Kontakten in der Aggressionsleiter weiter nach oben steigen, das Problemverhalten verschärft sich.

Wir tragen Verantwortung für unsere Hunde und sollten das nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Mit der oben genannten Einstellung geben wir unsere Verantwortung an der Garderobe ab und die Hunde müssen es ggf. ausbaden - mit nicht vorhersehbaren Konsequenzen.

 

 

 

 

 Das ist kein "alter Hut":

 

"Gewalt fängt da an, wo Wissen aufhört."

 

 

Die Aussagen spiegeln meine persönliche Meinung wieder und erheben keinen Anspruch auf Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit. Eine Garantie oder Haftung für die zur Verfügung gestellten Informationen kann nicht übernommen werden.

S. Impressum, Haftungsausschluss

 

Claudia Scho - Schos Hunde